Die Bundestagsabgeordnete Nicole Bracht-Bendt und der Kreisvorsitzende der FDP, Wolfgang Knobel, luden am Sonntag, dem 20. November 2011, zu einem politischen Frühschoppen im Gasthaus Fromann in Dibbersen. Eingeladen hatten sie den MdB Frank Schäffler, Mitinitiator des Mitgliederentscheids über den ESM (Europäischer Stabilitäts Mechanismus).
Nachdem sich auf einer anderen Veranstaltung in Buchholz Rainer Brüderle positiv zum ESM geäußert hatte, begründete Frank Schäffler seine ablehnende Haltung. Zusammen mit Frau Bracht-Bendt u. a. hat er ein Mitgliederquorum gegen den ESM herbeigeführt.
Schäffler skizzierte in seinem Einführungsreferat zwei mögliche Wege, mit der Schuldenkrise in Europa umzugehen. Der eine seine eine kollektivistische Alternative, mit der die Schulden vergemeinschaftet würden, z. B. durch Ausgabe von Eurobonds oder Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB. Dies habe in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit zu Inflation geführt, was letztlich die Entwertung der Privatvermögen bedeute. Das sei alles andere als liberal. Wer Risiken eingehe, müsse gegebenenfalls auch dafür haften, nicht aber der unbeteiligte Sparer.
Die zweite Alternative sei die Wiederbesinnung auf marktwirtschaftliche Grundpositionen. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die riskante Staatsanleihen mit entsprechenden Risikozinsen gekauft hätten, letzten Endes keine Risiken tragen sollten. So würden die Gewinne privatisiert, die Risiken aber sozialisiert werden. Ein Beleg dafür sei, dass die Börsenkurse nach Ankündigung des ESM gestiegen seinen.
Im Vertrag von Maastricht 1992 wurden drei Stabilitätskriterien vereinbart:
1. Die Unabhängigkeit der EZB von der Politik.
Inzwischen kauft die EZB Staatsanleihen von u. a. Portugal, Spanien und Griechenland auf.
2. Die Defizitquote der Mitgliedsländer soll unter 3% liegen, die Gesamtverschuldung unter 60% des BIP.
Die damalige Rot-Grüne-Regierung hat diese Regelung zusammen mit Frankreich und Italien ausgehebelt, nachdem die Bundesrepublik selbst gegen den Stabilitätspakt verstoßen hatte und Strafmaßnahmen drohten. Insofern hat die Verschuldungsobergrenze inzwischen nur noch symbolische Bedeutung, da es keinerlei Sanktionsmöglichkeiten mehr gibt.
3. Kein Staat haftet für die Schulden anderer.
Mit dem ESM müssen Drittstaaten für die Schulden anderer EU-Mitgliedstaaten aufkommen, was einen klaren Verstoß gegen den Maastricht-Vertrag bedeutet.
Der ESM sei nach Schäfflers Meinung zum Scheitern verurteilt. Die aktuellen Sparanstrengungen hätten in Griechenland dazu geführt, dass die Steuereinnahmen weggebrochen seien und sich das Land schon heute um 35 Mrd. € höher verschulden müsse als geplant. Der Glaube an Subventionen in strukturschwache Länder sei falsch, denn Geld bedeute nicht zwangsläufig Wirtschaftswachstum. Man könne sich mit dem Geld auch schlicht gut arrangieren. Eine liberale Position sei, die kulturelle Vielfalt Europas zu fördern und die Eigenverantwortlichkeit zu stärken. Die Konstruktion des geeinten Europas sei zweifelsohne nicht fehlerfrei. Über Ausstiegsmöglichkeiten einzelner Länder aus der Eurozone müsse neu nachgedacht werden. Endlich sollte wieder mehr freie Marktwirtschaft zugelassen werden, die auch zur Insolvenz von einzelnen Staaten führen könne. So würden wirtschaftlichen Folgen einer Insolvenz Griechenlands überschätzt. Die Deutschen Banken hätten Risikopapiere weitgehend aus den Depots entfernt, Hauptgläubiger seien die griechischen Banken selbst. Auch sei der Handel mit EU-Ländern für Deutschland geringer als vor 10 Jahren und betrage knapp über 40%. Ein Ausstieg aus der Transferunion sei derzeit hart, aber keine Katastrophe. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Die FPD habe die Chance, liberales Profil zu zeigen. Das kollektivistische Denken, beispielsweise auch durch die weitere Machtfülle in Brüssel, sei falsch. Europa müsse endlich wieder seine Stärken in der Vielfältigkeit und Pluralität erkennen, wie es nach 1945 sehr gut funktioniert habe. Daher plädiere er gegen den ESM und bat zusammen mit Frau Bracht-Bendt die Anwesenden, ihren gemeinsamen Vorschlag zu unterstützen.
Die überwiegende Mehrheit der ca. 60 Anwesenden scheint der Vortrag und die anschließende Diskussion überzeugt zu haben. Die meisten Redebeträge schlugen letztlich in die gleiche Kerbe.
Es gab aber auch Widerrede, wie es sich für eine liberale Partei mit denkenden Menschen gehört. So könnte man der These, die Liberalen wiesen auf ein zentrales Zukunftsthema, hätten konstruktive Lösungsvorschläge und würden dabei auch Profil gewinnen, auch widersprechen. Schlagworte der politischen Gegner „Europafeinde“, „unsolidarisches Verhalten“, „neoliberale Klientelpolitik“ wären denkbar.
Problematisch scheinen zwei Themen zu sein: die innenpolitischen Konsequenzen und die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland. Schäffler sah innenpolitisch durchaus Chancen für die FDP, sich wirtschaftpolitisch zu positionieren. Für die Aussage Röslers, man müsse auch über eine geordnete Insolvenz nachdenken, wurde die FDP gescholten. Nur wenige Wochen danach äußerte auch die Kanzlerin den Gedanken und spekulierte sogar über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Das interessierte vor dem Hintergrund immer schneller wechselnder Beschlüsse keine Öffentlichkeit mehr. Wirtschaftspolitisch ist die FDP wohl auf dem richtigen Weg.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Insolvenz Griechenlands sind vermutlich kaum abzuschätzen, auch die Experten streiten darüber. Auch wenn die deutschen Banken offensichtlich ihre Hausaufgaben gemacht haben, sind insolvente EU-Mitgliedsstaaten auch fehlende Exportländer für Deutschland. Bezüglich des Außenhandels war der Referent falsch informiert. Der Außenhandel der Bundesrepublik mit EU-Staaten wird nicht geringer, sondern hat inzwischen die 60%-Marke überschritten. Gewissermaßen hat die Verschuldung der Mitgliedsländer auch der Exportwirtschaft Deutschlands „geholfen“. Die Rechnung dafür müssen wir wohl jetzt alle zahlen.